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 3. Oktober: Herbstwandertour – Tag 1

Herbrechtingen Bahnhof

Zehn Wanderlustige fanden sich um 11:00 Uhr am überschaubaren Herbrechtinger Bahnhof ein, um sich gemütlich bei Kaffee und Butterbrezeln in einer urigen Bäckerei kennenzulernen. Genauso unterschiedlich wie die Anreisewege waren die Teilnehmer selbst, die aus der Gegend um Oberlenningen, Waiblingen, nahe Freiburg, Berlin und sogar Slowenien kamen! Darunter vier Blinde und Sehbehinderte, die aus ganz unterschiedlicher Motivation auf die Wandertage brannten – nicht minder, wie ihre sehenden Wanderkollegen.

Gruppenbild in Herbrechtingen

Frisch gestärkt starteten wir bei strahlendem Sonnenschein, durchquerten eine hübsche Grünanlage an der Brenz entlang und folgten ihr Richtung Heldenfingen, wo uns abends unsere erste Unterkunft erwartete.

Auf dem Weg begleitete uns das huttragende, stabschwingende Albschäfer-Symbol sowie Ausgelassenheit und beste Laune. Manche der Teilnehmer kannten sich bereits von unserer fünftägigen Wander-Pilgertour 2019 oder über andere Aktivitäten des Bewegungszentrum Pfulb. Das besondere war, dass auch diejenigen, die sich nicht kannten, sehr schnell miteinander warm wurden – genau so, wie man es von unseren Ausflügen kennt – sodass wir schnell eine harmonische Wandergruppe wurden.

Gelebte Inklusion

Wie immer gingen wir offen und ohne Scheu miteinander um. Wer Hilfe in irgendeiner Form benötigte, bekam diese mit einer sympathischen und selbstverständlich gelebten Bereitwilligkeit, die es unmöglich machte, sich als Behinderter als Außenseiter oder Anhängsel zu fühlen. Ganz im Gegenteil. Ob verbale Landschaftsbeschreibungen, ein Arm zum Einhaken oder Stützen bei Kletterpartien, man stand nie verloren da und gehörte fest dazu. Wann und wieviel Hilfe man bekam, konnte man selbst bestimmen. Nicht selten erlaubte der deutliche Kiesweg problemlos ein eigenständiges Gehen und an manchen Stellen führten sich Blinde und Sehbehinderte gegenseitig.

Weil Bildung nicht zu kurz kommen darf

Bei einer so bunt gemischten Truppe kann es gar nicht anders sein, als dass man mit- und voneinander lernt. So informierte uns Wanderführer Uli über Besonderheiten auf unserem Weg wie Felsformationen, Bohrmuscheln und Gesteinsarten.

Wandergruppe steht vor Felsen mit vielen Bohrmuschellöchern

Außerdem fanden gleich mehrere improvisierte Sprachkurse statt, denn wenn Schwaben auf Badener, Berliner, Syrer und Slowenen treffen, gibt es den ein oder anderen dialektgeschuldeten Erklärungsbedarf und viel zu Schmunzeln. Zum Schluss waren wir in der Verständigung alle wahre „Käpsele“.

Nach unserem ersten ausgedehnten, lehrreichen und unglaublich unterhaltsamen Wandertag sanken wir zufrieden und erschöpft in unsere Betten.

Ein Wanderer auf einem Weg in die Weite unter blauem Himmel.

 

 

 

 

 

4. Oktober: Herbstwandertour – Tag 2

Lecker gefrühstückt, Rucksack gepackt, Schuhe geschnürt – wir waren bereit für über 23 Kilometer Wanderweg, der auf Schotter und Wieseng durch ausgedehnte bewaldete Abschnitte führte.

Die Wandergruppe geht durch Herbstlaub

Die Luft war herrlich frisch und belebend und entgegen aller Wettervorhersagen mussten wir unsere farbenfrohen Regenponchos nur für eine halbe Stunde zum Einsatz bringen, während es im Rest von Deutschland nur so zu schütten schien. Es war, als würde die Sonne extra für uns scheinen, um uns den Tag mit ihrer Wärme zu versüßen. Bei Temperaturen von etwa 10-14 Grad froren wir bei unserem sportlich adäquaten Tempo keineswegs.

Typische Wiesenlandschaft mit vereinzelten Bäumen

Sontheim hieß das Tagesziel, dem wir mit ganz unterschiedlichen Gefühlen entgegen gingen: manche freuten sich auf das köstliche Abendessen, neuen Wein und eine heiße Dusche. Unsere Berlinerin, die uns verriet, dass im flachen Norden bereits 10 gelaufene Kilometer eine recht lange Strecke sind, fieberte dem Triumph entgegen, mehr als das Doppelte in einem Tagesmarsch zu schaffen. Selbst richtig fiese Blasen konnten die taffe Wandereinsteigerin nicht von ihrem Ziel abhalten, das wir abends stolz mit ihr feierten!

Drei Wanderteilnehmer mit Rucksäcken

5. Oktober: Herbstwandertour – Tag 3

Unsere super eingespielte, liebenswerte Wandergruppe erwartete ein ganz besonderer Tag, der uns unter anderem auf die Spuren der Weltgeschichte, in und auf die Wogen des Felsenmeers und zum krönenden Abschluss in eine wirklich luxuriöse Unterkunft mit exquisitem Essen und Equipment führte.

Das Meteorkratermuseum

Wir besuchten das Meteorkratermuseum in Sontheim, wo wir nach einem einstimmenden Kurzfilm eine exklusive Führung erhielten und ganz unverhofft in die unglaubliche Weltgeschichte eintauchten, die sich hier vor rund 15 Millionen Jahren ereignet hatte.

Das Meteorkratermuseum von vorne

Wer es nicht weiß: damals schlugen zwei Meteoriten in Sontheim und Steinheim ein, mit einer solchen Wucht, dass sich innerhalb von Sekundenbruchteilen ein gewaltiger Kraterberg auftürmte, Steine verschmolzen und das Leben in der näheren und weiteren Umgebung auslöschte. Diese gewaltige Naturkatastrophe hinterließ bis heute sichtbare Spuren.

Blinde Frau erfühlt steinernes Exponat

Einen geführten Besuch sowie die Betrachtung der ungewöhnlichen Exponate können wir aus eigener Erfahrung nur empfehlen!

Unsere Gruppe lauscht der Museumsführung

Klettern im Felsenmeer

Unser Weg führte uns unter anderem durch das wunderbare Wental auf der Schwäbischen Alb, wo wir die unterschiedlichen Felsformationen des Felsenmeeres bestaunten – ein unwiderlegbares Zeugnis der Erosionskräfte.

Vier Kletterer auf der Spitze des Felsens winken herunter

Die steinige Kulisse lud jedoch nicht nur zum Bewundern ein, sondern lockte einige von uns zu einer kurzen Kletterpartie auf die gewaltigen Felsbrocken – allen voran unsere sehbehinderten Mitwanderer. Wir genossen gemeinsam die schöne Aussicht, den Wind und das Gefühl der Höhe.

Durch und durch verwöhnt

Auch wenn die Wettervorhersage noch immer wolkenträchtig und regenschwanger war, so spürten wir nichts als Sonne auf der Haut. Kein Wunder, dass wir übermütig lachten, herumalberten, Hochstände erklommen, Langlauftrockenübungen vollzogen und tolle Pläne für weitere Ausflüge schmiedeten.

Eine Wanderin auf einem sehr hohen Hochsitz aus Holz

Wenn man in einer so geselligen Runde inmitten der Natur ist, fällt es schwer, an die Alltagssorgen und Beschwerden zu denken. Alles, was nicht in den Rucksack passt, kann zu Hause und ein paar Tage liegenbleiben. Es gibt nichts Reinigenderes, Erholsameres als eine schlichte, wunderschöne Wandertour in guter Gesellschaft.

Unsere Wandergruppe bei einem gemütlichen Päuschen auf Baumstämmen sitzend

Außer vielleicht… der Gipfel der Heiterkeit: wir erreichten am frühen Abend das Hotel Löwen, das uns komfortabel und beeindruckend empfing. Ein Apfel auf dem kuschligweichen Bett, geräumige Zimmer, moderne Bäder und eine feingedeckte Tafel mit köstlicher kulinarischer Gaumenfreude bildeten ein wahres Highlight. Alles fast ein bisschen zu schön, um wahr zu sein.

6. Oktober: Herbstwandertour – Tag 4

Unser großes Wanderfinale starteten wir in Zang, von wo aus wir dem Albschäferweg bis Heidenheim folgten. Zielsicher wie immer führte uns unser Wanderführer zum Brenztopf, ein absolut lohnenswerter Abstecher! Mit tiefblauem Wasser erinnert das jakobsmuschelgesäumte Becken an den Blautopf und ist definitiv einen Blick wert.

Jakobsmuschel und Brenztopf

Nach insgesamt 17 Kilometern erreichten wir den Heidenheimer Bahnhof, wo wir uns bei dampfendem Flammkuchen verabschiedeten. Vorerst.

Kleiner Spoiler: Tolles ist für 2020 in Planung…

  • Wander-Pilgertour 2020: Man könnte auch sagen „Teil 3 der Erfolgsserie“, denn bereits zum dritten Mal begeben wir uns auf den Jakobsweg, um sehend, riechend, schmeckend, hörend und fühlend die atemberaubende Weite und heilende Schlichtheit der Faszination Wanderreise zu erleben. Neugierig? Lies oder höre den authentischen Erfahrungsbericht 2018 einer hochgradig sehbehinderten Teilnehmerin sowie den ausführlichen Wanderbericht 2019!
  • Heidelberg mit allen Sinnen: eine hochgradig sehbehinderte ehemalige Studentin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg führt exklusiv durch die romantische Brückenstadt am Neckar, auf den Philosophenweg und zum einmaligen Feuerwerk der traditionellen Heidelberger Schlossbeleuchtung.
  • Wanderwoche in Slowenien: In die wundervolle Region zwischen Alpen und Adria laden Anfang September zwei charmante, wandererprobte Einheimische herzlich ein und entführen uns in malerische Landschaften, bezaubernde Dörfer und in die spektakuläre slowenische Natur.

Näheres folgt in Kürze.

Impressionen in Bildern: 

 

Der Brenztopf in klarem Blau

 

Drei winzig kleine Wanderer vom Hochstand aus fotografiert

 

Ein blinder Wanderer klettert an einem Seil eine steile Wand hinauf Eine imposante Felsformation

Fliegenpilz

 

Gefällte Baumstämme glänzen in der Sonne

 

Lächelnde Wanderin vor dem mittlerweile bewachsenen Meteorkrater

 

Wanderer auf einer schönen weiten Wiese

 

Wanderer machen Rast in der Sonne

 

Wandergruppe am Bahnhof in Heidenheim

 

Zwei Bänke auf denen Hoierles Egg für Schnitzhäfa ond Reigschmeggde steht

 

Eine Wanderin ist auf einen großen Felsen mit Bohrmuschellöschern geklettert.

 

Aussicht auf Wald, Wiesen und die Brenz